Internierte Franzosen und Belgier in Engelberg

Nebst dem grossen Gedenkstein am Aufgang zur Kirche und einigen alten Gräbern auf dem Friedhof, die an im 1. Weltkrieg verstorbene Einwohner Engelbergs erinnern, findet man an der Mauer vor der Kirche von Engelberg auch eine eher unscheinbare Gedenktafel für zwei Franzosen:

Arthur Desprez, 1887-1917, Soldat français, 310 Reg. Inf.

J.M. Sauvageon, 1880-1917, Soldat français, Reg. 52

 

Arthur Henry Joseph Desprez wurde am 24. März 1889 in Steenwerck im Département Nord geboren als Sohn von Edouard Henri Joseph Desprez und Adrienne Julia Salomez. Er wurde in Dunkerque rekrutiert und dem 310. Infanterie Regiment zugeteilt.1 Mit dem Transport vom 22.12.1916 kam er von Tauberbischofsheim nach Engelberg.2 Am 11. März 1917 ist er in Engelberg in der Schweiz an Lungentuberkulose gestorben.Seine Stammrolle (fiche matricule) und Sterbeurkunde konnte ich leider nicht finden.

 

Jean Marie Sauvageon wurde am 3. Mai 1880 in Beaulieu im Departement Haute-Loire geboren als Sohn von Michel Sauvageon und Henriette Buisson. Er wurde in Le Puy rekrutiert und im 1. Weltkrieg dem 52. Infanterie Regiment zugeteilt. Er starb am 3. März 1917 in Engelberg in der Schweiz während der Gefangenschaft.1

 

Für seinen Grundwehrdienst wurde er zunächst dem 86. Infanterie Regiment zugeteilt, wo er ab dem 14. November 1901 bis am 22. September 1902 war. Ab dem 1. November 1904 gehörte er zur Reserve der aktiven Truppen. Vom 13. Mai bis 9. Juni 1907 sowie vom 23. Mai bis 8 Juni 1910 absolvierte er Übungen im 86. Infanterie Regiment. Ab dem 1. Februar 1913 gehörte er zum Infanterie Regiment Montélimar. Mit der Generalmobilmachung vom 2. August 1914 wurde er wieder in den aktiven Dienst gerufen. Er kam am 12. August zum 52. Infanterie Regiment und war im Einsatz gegen die Deutschen. Er starb am 3. März 1917 in Engelberg in der Schweiz wie durch offizielle Mitteilung vom 5. Mai 1917 gemeldet wurde.3

 

Am 1. November (Allerheiligen) 1916 sammelten die internierten Franzosen in Engelberg Geld für einen Kranz, den sie beim Denkmal für die Bourbaki-Armee in Luzern niederlegen wollten. Bei den Sammlungen in den verschiedenen Hotels kamen 100 Franken zusammen, so dass der Kranz durch eine Delegation vom Sonnenberg (Kriens) beim Denkmal in Luzern niedergelegt werden konnte.4

 

Bereits am 02.11.1916 wurde im „Journal des internés français“ der Sektor Engelberg als Vorzeige-Beispiel in Bezug auf die Organisation der Arbeit der Internierten erwähnt. Damals befanden sich im Sektor Engelberg ungefähr 600 Männer, von denen 400 einer geregelten Arbeit nachgingen. In Gruppen wurden Arbeiten in Angriff genommen wie die Abdichtung des Trüebsees, Konstruktion von Verbauungen im Lawinengebiet am Ausläufer des Titlis und der Gerschnialp. Daneben wurden diverse Werkstätten eingerichtet, die zahlreiche Internierte als Arbeiter beschäftigten. Auch künstlerisch konnte man sich betätigen als Teppichknüpfer, Maler und Bildhauer oder sogar als Porzellanmaler. An den Wochenenden gab es Theateraufführungen oder Orchesterkonzerte. Geplant war zudem die Internierten beim Bau einer dreieinhalb Kilometer langen Strasse zwischen Engelberg und Schwand einzusetzen. Allein vom Monat Juni bis im Monat Oktober 1916 erbrachten die Internierten eine Arbeitsleistung, die 14‘950 Franken wert war.5

 

Am 18.11.1917 wurde im „Journal des internés français“ das Atelier national in Engelberg vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Werkstätte für Schreinerei und Zimmerei, die ihre Arbeit ab Dezember 1916 aufnahm und im Februar 1917 dem „Office du Travail des Internés“ (dem Büro für Internierten-Arbeit) unterstellt wurde. Anfangs war die Werkstätte auf zwei Standorte verteilt, einer für die mechanische Herstellung und einer für die Montage. Ab Juli1917 konnte man jedoch ein anderes Gebäude benutzen, auf dessen Grundstück man beides ausführen konnte. Es bot sogar genügend Platz um Holzbaracken für die Arbeiter und das Material aufzubauen. Diese Werkstätte befand sich zudem viel näher beim Bahnhof, in dessen Nähe man im Gebäude eines Hotels einen Lagerraum unterhielt. In dieser Werkstätte wurden zunächst vor allem Möbel hergestellt, später demontierbare Holzbaracken. Für die Auslieferung derselben stellte die SBB jeweils extra einen Wagon zur Verfügung. Unter den 42 Internierten in dieser Werkstätte befanden sich nur 4 Männer, die von Beruf tatsächlich Schreiner oder Zimmermann waren.6

 

Die Internierten in Engelberg konnten auch oft Sport treiben, so wurden diverse Fussballspiele veranstaltet. Am 1. November 1916 spielten die Belgier gegen die Franzosen, wobei die Belgier deutlich überlegen waren und mit 11 zu 3 Toren gewannen. Vor allem in der zweiten Halbzeit dominierten die Belgier den Gegner, dem es an Training fehlte, und erzielten 8 Tore.7

 

Am 10. Juni 1917 kam es zu einer Begegnung zwischen der Mannschaft der Internierten von Engelberg und dem Fussballclub Luzern auf dessen Fussballplatz. Nach der ersten Halbzeit musste das Spiel jedoch beim Stand von 3 zu 1 für den FC Luzern wegen eines Gewitters abgebrochen werden. Die Mannschaft der Internierten war ohne einige ihrer stärksten Spieler angetreten, da diese bereits aus Engelberg abgereist waren. Die besten Akteure auf dem Spielfeld waren der Torhüter Puttewils sowie die Spieler Salomon, Charlet, Carrère und Lammens. Die Mannschaft wurde begleitet von der Harmoniemusik der Internierten von Engelberg.8

 

Am 14. Juli 1917, dem französischen Nationalfeiertag, wurden Sport und Spiel organisiert. Die Harmoniemusik der Internierten begann mit einer Fanfare. Am Nachmittag fanden im Eienwäldli Rennen über 100m und 400m sowie zwei Boxkämpfe statt.9

 

Am Wochenende des 21. und 22. Juli 1917 hielt sich der französische General Pau in Engelberg auf, wo er dem Chasseur Bélorgé die Medaille Militaire und das Croix de Guerre mit Palme überreichte. Zudem besichtigte er zwei Krankenheime und diverse Werkstätten und besuchte am Sonntag mit den Internierten die Messe. Offenbar existierten damals folgende Werkstätten: Schreinerei, Orthopädie, Schuhmacher, Schneiderei und Pantoffel-Herstellung.10

 

Beim Chasseur Bélorgé handelte es sich vermutlich um Jean Belorgey, geboren 1891, Soldat des 5ème Bataillon Chasseur à pied, der von Würzburg nach Engelberg kam. Allerdings gibt es auch eine Transportliste vom 20.12.1917 gemäss der ein Jean-Marie Belorgey, geboren 1891, von Würzburg nach Meiringen kam.11

 

Auf einer Liste vom 2.2.1915 erscheint ein Jäger Jean Bellorgey, der durch ein Artillerie-Geschoss am linken Auge verletzt wurde und im Reserve-Lazarett in Mühlhausen war.

Ein Jean Marie Bellorgey, Jäger zu Fuss, 1. Kompanie, befand sich mit einer Verletzung am linken Auge im Reserve-Lazarett Pforzheim in der Osterfeldschule.12

 

Quellen / Sources

 

1 Datenbank "Mort pour la France“ bei "Mémoire des Hommes"

http://www.memoiredeshommes.sga.defense.gouv.fr/fr/arkotheque/client/mdh/base_morts_pour_la_france_premiere_guerre/index.php

 

2 Dies kann man in einer Liste in der „Gazette d’Ardennes“ nachlesen, die wiederum auf das „Journal des internés français“ verweist. Gazette des Ardennes, Charleville, 8. Februar 1917, Nr.344

http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/feldztggazarden1917/0081?sid=bc359d274f6221f186e1c66ce9bb3f84

 

2 Auch in der Datenbank des Roten Kreuzes ist eine Karteikarte mit demselben Inhalt vorhanden. Prisoners of the First World War - ICRC Historical Archives  

http://grandeguerre.icrc.org/en/File/Search

 

3 Archives Départementales de la Haute-Loire - Registres Matricules

Classe de recrutement 1900, numéro de matricule 48

http://www.archives43.fr/arkotheque/consult_fonds/index.php?ref_fonds=26

http://www.archives43.fr/arkotheque/consult_fonds/fonds_seriel_resu_rech.php?ref_fonds=26

 

 

4 Journal des internés français, Ausgabe vom 09.11.1916 bei http://gallica.bnf.fr/?lang=DE

5 Journal des internés français, Ausgabe vom 02.11.1916 bei http://gallica.bnf.fr/?lang=DE

6 Journal des internés français, Ausgabe vom 18.11.1916 bei http://gallica.bnf.fr/?lang=DE

7 Journal des internés français, Ausgabe vom 09.11.1916 bei http://gallica.bnf.fr/?lang=DE

8 Journal des internés français, Ausgabe vom 07.07.1917 bei http://gallica.bnf.fr/?lang=DE

9 Journal des internés français, Ausgabe vom 04.08.1917 bei http://gallica.bnf.fr/?lang=DE

10 Journal des internés français, Ausgabe vom 04.08.1917 bei http://gallica.bnf.fr/?lang=DE

 

 

11 Datenbank des Roten Kreuzes - Franzosen interniert in der Schweiz

Prisoners of the First World War - ICRC Historical Archives 

http://grandeguerre.icrc.org/en/File/Search

 

12 Datenbank des Roten Kreuzes - French and Belgian Army Main File

Prisoners of the First World War - ICRC Historical Archives

http://grandeguerre.icrc.org/en/File/Search