Evakuierte Franzosen auf Schönfels, Zugerberg

Am 14. Juli 1916, dem französischen Nationalfeiertag, sah man eine lange Kolonne Männer auf dem Friedhof von Zug am Grab der Soldaten der Bourbaki-Armee vorbei defilieren. Ein hübscher Blumenkranz mit der Inschrift „Les internés français de Zugerberg à leurs ainés de 1870-71“ wurde niedergelegt. Dabei gedachten sie den Soldaten, die auf dem Feld der Ehre gefallen waren, der mutigen Bevölkerung der Kriegsgebiete und ihrer Kameraden, die immer noch in deutschen Gefangenenlagern waren.1

 

Während des 1. Weltkrieges gab es ein Abkommen, wodurch schwer kranke oder verwundete Kriegsgefangene aus Frankreich und Deutschland in der Schweiz hospitalisiert wurden. Doch die französischen Internierten im Hotel Schönfels auf dem Zugerberg waren keine aktiven Soldaten im 1. Weltkrieg, die in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, sondern es handelte sich um Zivilinternierte oder evakuierte Zivilpersonen, die aus den französischen Départements kamen, die im Kriegsgebiet lagen.2

 

Dies geht aus einer Liste im Archiv des Internationalen Roten Kreuzes hervor, das nicht nur Dokumente zu Kriegsgefangenen, sondern auch zu Zivilinternierten verwahrt. Auf dieser Liste wurden alle 49 Männer aufgeführt, die sich am 10.06.1916 im Interniertenquartier im Hotel Schönfels auf dem Zugerberg aufhielten. Ausser dem Leiter der Einrichtung, Jean Chappard, werden alle als Zivilisten bezeichnet. Aus der fünfseitigen Liste gehen nebst den Namen auch die Geburtsdaten und Geburtsorte sowie der vorherige Aufenthaltsort in Deutschland hervor.2

 

Der Leiter dieses Interniertenquartiers nannte sich übrigens nicht Kommandant, sondern Chef de l’établissement, so hat er jedenfalls zwei Briefe an das Rote Kreuz unterschrieben.2 Der Sergent oder Sous-Officier (Unteroffizier) Jean Chappard wurde am 21. November 1892 in Lyon geboren als Sohn von Jean-Marie Chappard und Virginie Vignolles. Er war offenbar vor seiner Gefangennahme oder Internierung beim 22. Infanterie Regiment in Lyon. Die Stammrollen und Kriegstagebücher von Lyon sind jedoch noch nicht online, und eine Regimentsgeschichte konnte ich auch nicht finden.3

 

Der Liste des Roten Kreuzes kann man lediglich entnehmen dass er von Landshut, Bayern ins Hotel Schönfels auf dem Zugerberg kam, während alle anderen Internierten oder Evakuierten zuerst in Holzminden, Hannover waren. Ihre Geburtsorte liegen in den französischen Départements Nord und Pas-de-Calais; Ardennes und Marne (Champagne); Aisne, Oise, Somme (alle Picardie); Moselle, Meurthe-et-Moselle und Vosges (Lothringen) sowie Bas-Rhin (Elsass). Auch das Alter weist eher auf Zivilisten als auf aktive Soldaten hin, denn die meisten wurden in den 1860er und anfangs der 1870er Jahren geboren, andere erst Ende der 1890er Jahre.2

 

Der Verfasser des anfangs erwähnten Zeitungsartikels über den Nationalfeiertag, Eugène Delfind, wurde am 3.3.1874 in Oran, Algerien geboren. Der Industrielle wohnte in Longwy, Lothringen, wurde jedoch in Luxemburg gefangen genommen und zunächst in Giessen und Holzminden interniert. Später erfolgte der Transfer ins Hotel Schönfels auf dem Zugerberg in der Schweiz und am 20.07.1918 die Repatriierung .

 

Im Bulletin de la Meurthe et Moselle vom Sonntag, 24.09.1916 wird erwähnt, dass Eugène Delfind, Industrieller im Bereich Kupfergiesserei und Metallwaren in Longwy-Bas und Mont-Saint-Martin, sich auf dem Zugerberg in der Nähe von Zug aufhält.5

Eugène Delfind hatte seine Firma 1910 in Longwy gegründet, um Metallwaren herzustellen, die nicht aus Eisen bestanden. 1924 wurden neue Werkstätten (Giesserei und Mechanik) gebaut und die Firma erhielt den Namen Affinerie et Fonderie de Longwy (AFL).6

 

Bleicher Xavier (*04.12.1862) und Bleicher Florent, beide Bäcker aus Bergheim, Haut-Rhin, tauchen zusammen auf einer Liste vom 21.01.1915 aus dem Gefangenenlager Holzminden auf. Xavier kam später ins Hotel Schönfels auf dem Zugerberg in der Schweiz und wurde 09.12.1916 repatriiert. Auf der Liste der Repatriierten wird auch noch ein Krankenpfleger Victor Dubois vom Zugerberg erwähnt, der jedoch auf der anfangs erwähnten Liste der Internierten auf dem Zugerberg fehlt. Die restlichen Repatriierten auf der Liste vom 09.12.1916 waren alles Soldaten wovon die meisten in Engelberg interniert waren.7

 

Das Zuger Neujahrsblatt vermerkte in seiner Chronik, dass am 12.05.1916 ca. 50 französische Evakuierte zur Erholung im Hotel Schönfels auf dem Zugerberg einlogiert wurden. Am 24.07.1917 stattete der französische General Pau seinen Landsleuten, den Internierten auf dem Zugerberg, einen Besuch ab.8

Dies im Rahmen einer Reise durch die Schweiz, auf der er noch weitere Interniertenlager besichtigte und mit vielen der internierten Männern und ihren Familien sprach. Vom 12. bis 17. Juli 1917 war er in Bönigen, Interlaken, Wilderswil und Brienz im Berner Oberland unterwegs.9

 

Am Wochenende des 21. und 22. Juli 1917 hielt er sich in Engelberg auf, wo er dem Chasseur Bélorgé die Medaille Militaire und das Croix de Guerre mit Palme überreichte. Zudem besichtigte er zwei Krankenheime und diverse Werkstätten und besuchte am Sonntag mit den Internierten die Messe.9

Am 24. Juli 1917 war er wie erwähnt auf dem Zugerberg ehe er dann vom 27. bis 30. Juli 1917 in Genf weilte.10

 

Quellen / Sources

 

1 L’Est républicain, Journal Régional Quotidien, Sonntag 23.07.1916, Seite 3

http://www.kiosque-lorrain.fr/collections/browse

 

2 Prisoners of the First World War – ICRC Historical Archives http://grandeguerre.icrc.org/en/File/Search

 

3 Getauft wurde er auf die Namen Jean Félicien Maxime Albert, sein Vater war employé de commerce, seine Taufpaten waren der Buchhalter Jean-Blaise Lafaut und der Metzger Petrus Chappard.

 

Geburtseintrag von Jean Chappard, Lyon 3ème arrondissement, 20.07.1872-31.12.1892 http://www.fondsenligne.archives-lyon.fr/ac69v2/genealogie.php?mode=1

 

4 Karteikarte in der Datenbank des Int. Roten Kreuzes in Genf

Prisoners of the First World War – ICRC Historical Archives - Main file of the Entente Civilians

http://grandeguerre.icrc.org/en/File/Details/4302260/6/1/

 

5 Bulletin de la Meurthe et Moselle vom Sonntag, 24.09.1916

http://www.kiosque-lorrain.fr/collections/browse

 

6 Die Informationen zur Geschichte der Firma stammen von deren Website. 

 

Karteikarte in der Datenbank des Int. Roten Kreuzes in Genf

Prisoners of the First World War – ICRC Historical Archives - Main file of the Entente Civilians

 

http://grandeguerre.icrc.org/en/File/Details/1521754/6/1/

http://grandeguerre.icrc.org/en/File/Details/999563/6/1/

 

8 Zuger Neujahrsblatt von 1922 (Chronik 12.05.1916) und 1923 (Chronik 24.07.1917) http://www.halle44-zg.ch/zuger-chroniken/?no_cache=1

 

9 Journal des internés français, Ausgabe vom 04.08.1917 bei http://gallica.bnf.fr/?lang=DE

 

10 Journal de la Meurthe et des Vosges, vom 27.07.1917 und 30.07.1917

http://www.kiosque-lorrain.fr/collections/browse